Während Karin mit dem Honda die Überquerung der
Südalpen in Richtung Osten in Angriff nahm, machten es sich die drei andern
Haags im Zug bequem. Der 'TranzAlpine' befährt eine der großartigsten
Eisenbahnstrecken der Welt. Von der Tasman See bis zum Pazifik überquert sie
die Southern Alps zwischen Greymouth und Christchurch. Dabei bahnt sich der Zug
seinen Weg durch mehrere Landschafts- und Vegetationszonen. Zu Beginn
schlängelte sich der wacklige Express durch zahlreiche Flusstäler mit
urtümlichem Regenwald, bevor er uns am Anglerparadies des 'Lake Brunner'
vorbei ins 'Taramakau-' und 'Otira Valley' brachte, wo sich die ersten
Bergriesen links und rechts der Strecke in die Höhe reckten. Durch den 8,5
Kilometer langen 'Otira Tunnel' ging es dann in steiler Fahrt bergauf zum
'Arthur Pass' auf 737 Meter Höhe. Die grandiose Landschaft konnten wir vom
klimatisierten Wagon oder vom offenen 'Viewing Carriage' bewundern. Das Fotografieren
dort war allein schon ein richtiges Abenteuer. Die schmale Spurbreite,
die hohe Fahrtgeschwindigkeit und der starke Wind in den Bergen machten den
vielen fotografierwütigen Touris mächtig zu schaffen und man musste höllisch
aufpassen, dass man beim Knipsen nicht über die niedrige Brüstung der
Plattform geschleudert wurde.
Durch atemberaubend schöne Hochgebirgstäler,
wilde Schluchten und über abenteuerliche Holzviadukte rasten wir dann das 'Bealey-'
und 'Waimakariri Valley' hinab, über das flache Schwemmland der 'Canterbury
Plains' hinweg bis zur Ostküste, wo wir nach fünf unvergesslichen Stunden
unser Ziel Christchurch erreichten und Karin mit dem Honda-Shuttle-Bus bereits
auf uns wartete.
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Von Christchurch aus ging es dann ohne langes
Verweilen eine knappe Stunde direkt nach Norden, wo wir noch einmal auf der
Alpaca-Farm von Ursula und Urs Fricker unsere Zelte für die kommende Woche
aufschlugen und wieder sehr herzlich empfangen wurden.
Das Domizil der Frickers glich wieder einem
wahren Taubenschlag, in dem sich die verschiedensten Gäste die Klinke in die
Hand gaben. Bei unserer Ankunft war die Stube gefüllt mit vier Freunden des
Sohnes aus der Schweiz, der Mutter von Schwiegertochter Maya und der jungen
Japanerin Miho, die im Rahmen eines zweimonatigen Aufenthalts bei
den Frickers Englisch lernen will. Am Dienstag trafen dann bereits zwei
Schwestern und zwei Schwager von Urs aus der Schweiz ein. Karin und Jochen
kochten für 13 Personen das Abendessen, das sich Nina bereits so lange
gewünscht hatte: Linsen mit Spätzle. Dazu gab es frischen Schinken von der
Wildschweinkeule.
Auch sonst versuchen wir uns für die
einzigartige Gastfreundschaft durch ein wenig Mithilfe in Haus und Hof
erkenntlich zu zeigen und unternahmen tagsüber kleinere Ausflüge. So
besuchten wir z.B. noch einmal die Thermalquellen von Hamner Springs - dieses
Mal jedoch nicht bei sommerlicher Hitze, sondern bei strömendem Regen. Karin
nutzte natürlich auch wieder die Chance zum Backen mit Ursula. Am Donnerstag
stand sie um 5 Uhr auf um die Lieferung für den örtlichen Bioladen zu
produzieren. Währenddessen erfreuten sich Sara und Nina an den vielen
verschiedenen Tieren, Spielpartnern und Spielsachen im und ums Haus und Jochen
erweitert kontinuierlich seinen Wortschatz in "Schwyzerdütsch" und
kann wohl bald mit seinem FCB-Vorstandkollegen Gerold im Gebrauch des
Wörtchens 'oddr?' konkurrieren. ;-)
Am Freitag war 'Waitangi Day', der
Nationalfeiertag Neuseelands. Weil die Sonne lachte, machten wir uns in aller
Frühe auf an den Strand. Ziel war die 'Motunau Beach', wo wir hofften die
begehrten Paua-Muscheln zu finden. Diese Muscheln sind für ihre
perlmutüberzogene, farbig schimmernde Schale bekannt und werden hier gerne zur
Schmuckherstellung verwendet. Von den Frickers waren wir genauestens instruiert
worden, an welchen Stellen wir suchen müssen und wir wurden auch tatsächlich
fündig. Jochen nutzte den verbliebenen Tag um die Gegend um Waikari per pedes
zu erkunden und suchte in der hügeligen Umgebung des Ortes nach
Felszeichnungen der Maori, von denen Urs erzählt hatte. Nach einem
anstrengenden und steilen Aufstieg durfte er zunächst eine grandiose Aussicht
auf die Umgebung genießen und wenig später fand er auch die weithin
unbekannten, aber beeindruckenden 1000 Jahre alten Kohle- und Ockerzeichnungen
in einem von markanten Kalksteinfelsen eingerahmten Hochtal. Die Wissenschaft
ist sich nicht einig darüber, ob sie von Jägern und Greenstone-Suchern
stammen, die auf dem Weg zur Westküste unter den Kalksteinüberhängen bei
Waikari Schutz gesucht haben oder ob die außergewöhnliche Landschaft am
Weka-Pass für die Ureinwohnern eine besondere spirituelle Bedeutung hatte.
WAITANGI
DAY
Am
6. Februar erinnern sich die Neuseeländer eines Ereignisses, das 1840 in
dem Ort Waitangi in der Bay of Island stattfand. Neuseeland wurde damals
offiziell englische Kolonie und auch die Maori erkannten mit der
Unterzeichnung des 'Vertrages von Waitangi' die englische Königin als ihr
Staatsoberhaupt an. Alle Stammeshäuptlinge des Landes waren extra zur
Vertragsunterzeichnung mit ihren Kanus in den Norden Neuseelands gereist.
Auch wenn sich das alles recht harmonisch anhört, die unterschiedliche
Auslegung des damals geschlossenen Vertrages sorgte schon in der
Vergangenheit für Unstimmigkeiten und ist auch heute immer wieder Anlass
für Auseinandersetzungen zwischen den Ureinwohnern und den 'Pakehas', wie
die Maori die weißen Einwanderer nennen.
Jochen
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Der Samstag begann früh, sehr
früh. Karin stand um 4 Uhr auf um Ursula beim Backen für den samstäglichen
Markt in Amberley zu helfen. Mehr als zehn Sorten Brot und Gebäck haben die
Frickers im Sortiment und bis acht Uhr musste alles vorbereitet werden. Über
die üblichen Sorten hinaus steuerte Karin noch 70 schwäbische Rahmküchle
bei. Als man die beiden Bäckerinnen am Morgen zu Gesicht bekam, sahen sie ganz
schön abgekämpft aus. Auf dem Wochenmarkt in Amberley durfte dann auch Jochen
sein Können unter Beweis stellen. Zusammen mit Urs galt es die Backwaren an
den Mann zu bringen. Aufgrund der einzigartigen Qualität der Produkte, war das
jedoch überhaupt kein Problem und kurz nach 11 Uhr war der Stand komplett
ausverkauft, auch Karins 'savoury cream buns' hatten reißenden Absatz
gefunden. Jochen nutzte beim Verkauf die Chance seine Englischkenntnisse und
seine rudimentären Kenntnisse in den Grundrechenarten zu testen. Er überlegt
jetzt ernsthaft, ob er sich nach dieser tollen Lehre für den Rest seines
Sabbatjahres bei der Gärtnerei Gruber um einen Job als Marktverkäufer
bewerben soll. Am Nachmittag durften Sara und Nina bei Miho, der freundlichen
Japanerin, ihre Fingerfertigkeit im Origami unter Beweis stellen. Außerdem
überraschten sie Urs und Ursula mit einer selbst gemalten Urkunde, die im Stil
des neuseeländischen Fremdenverkehrsverbands angefertigt war. Darin wurde den
Frickers der Titel 'Best accomodation of New Zealand' (Beste Unterkunft in
Neuseeland) verliehen und mit unerreichbaren sechs Sternen ausgezeichnet - denn
eigentlich sind fünf Sterne das Maximum!
Am Sonntag hieß es endgültig
Abschied zu nehmen von unseren neuen Freunden in Waikari. Nicht wenige Tränen
wurden verdrückt. Wir würden uns sehr freuen, wenn wir den Frickers die erlebte Gastfreundschaft einmal vergelten
könnten. Richtige Freundschaften entstehen auf solchen Reisen wohl eher selten.
Wir hatten dieses Glück jetzt zum wiederholten Mal und werden diese neue
Freundschaft auch hoffentlich über die Kontinente und den Rhein (die Salzach
wollen wir aber auch nicht vergessen!) hinweg aufrecht erhalten und pflegen
können!
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